Liebe Isabelle
Endlich hörst Du wieder von mir. Aber ich wollte eine ruhige Stunde abwarten, um das beiliegende auf Papier zu bringen. Du darfst meinen Anhang verwenden wie Du möchtest! Ich stehe dazu, was ich da schreibe! Auch Dir und U.. nochmals herzlichen Dank für die anregende Begegnung. Werde bestimmt auch wieder mal auf Deine Homepage gehen und sehen, was sich da tut!
So wünsche ich Dir eine gute Zeit und alles Gute für Deine Wege mit und zu Menschen!
Stefan
Nachfolgend der Anhang aus obigem Mail von Pfarrer Stefan Stäubli:
Eine anregende BegegnungEs war eine Begegnung der besonderen Art. X hatte mich dazu eingeladen, zu sich nach Hause. So sassen wir also miteinander am Tisch: Er, ein körperlich behinderter Mann im Rollstuhl. Sie, seine Sexualbegleiterin, die ihn seit einiger Zeit regelmässig besucht, und ich, ein kath. Priester.
Wir fanden schnell ins Gespräch. Fragen standen ja genug im Raum: Wie versteht eine Sexualbegleiterin ihren Dienst und unterscheidet sich z.B. von „reiner“ Prostitution? Wie lebt ein zölibatärer Priester seine Sexualität? Gehören sexuelle Erfahrungen zu einem selbstbestimmten Leben, sind quasi ein Menschenrecht, wie Nahrung und Bildung u.a.?
Mit den letzten Fragen berühren wir natürlich meinen Hintergrund als kath. Priester. Zum einen weiss ich um die kirchlichen Ideal-Positionen wie: kein Geschlechtsverkehr ausserhalb einer verbindlichen Ehegemeinschaft oder das Verbot künstlicher Empfängnisverhütung aufgrund der Meinung, dass jeder Geschlechtsakt grundsätzlich offen sein sollte auf Nachkommenschaft…. Doch allein mit solchen Idealen schiessen wir mehrfach über’s Ziel! Zum einen können Ideale, die nicht in Verbindung mit dem eigenen Leben gebracht werden, zu ungesunden Formen der Abspaltung und Verdrängung führen. (Ein Paar, das sich zwar an sämtliche kirchlichen Sexualvorstellungen hält, dafür lieblos miteinander umgeht – ist sicher kein Ideal!) Zum anderen gefällt mir nicht, dass beim Thema Sexualität gleich ans Ehebett und geschlechtliche Vereinigung gedacht wird.
Gibt es nicht viele Zwischen-Formen und Stufen von Sexualität, die hiermit glatt übersprungen und übersehen werden? Wir Menschen haben nicht bloss einen Leib. Von einem Menschen, der ganz bei einer Sache oder einem Menschen ist, sagen wir doch: „Der/die ist mit Seele und Leib dabei!“ Das aber beginnt und gilt für jeden Gruss und Kuss, bei der Art wie ich mit mir und anderen umgehe, wie ich auf die Signale meines Körpers achte und die des Anderen wahrnehme. Ja, selbst der sorgsame Umgang mit Dingen und der Schöpfung hat für mich mit Sexualität zu tun.
Vielleicht bin ich hiermit den anfangs gestellten Fragen (unbewusst) etwas ausgewichen? Zumindest ist das Thema längst nicht ausgeschöpft! Und die Zeit beim Gespräch zu Dritt ging auch schnell vorbei – es war eine anregende und bereichernde Begegnung auch für mich. Danke Euch beiden!
Stefan Staubli, Pfr.