Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Wie steht die offizielle Schweiz zur Sexualbegleitung? Gibt es Sex auf Krankenschein?

Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon Isabelle » So 9. Jan 2011, 18:52

..fundiert...
Die Idee war mutig, für die Schweiz schon beinahe revolutionär, die Ausführung trug die Handschrift von der Pionierin Nina de Vries, das Projekt stand unter dem Patronat der Fachstelle fabs: die Fach Ausbildung in Sexualbegleitung für die Schweiz.
Das Ausbildungskonzept war frei von jeglicher Weltanschauung (Esoterik, Tantra etc.) und das Berufsprofil fundiert, für dessen Umsetzung Peter Oertle beigezogen wurde, ein Profi in Sachen prozessorientiertem Arbeiten. Das Ergebnis war eine nicht ganz bequeme aber effektive Art des Lernens unabdingbar verbunden mit ehrlicher Selbstreflektion. (jedem Mandatsträger sehr zu empfehlen…)
..mit pikanten Details..
Wie anderswo in der Wirtschaft siegten offenbar auch bei der f. angenehme Löhne und Image über Ideologie, denn anders kann der im stillen Kämmerlein gefällte Entschluss nicht interpretiert werden. Ich spreche hier nicht über einen Entschluss im Sinne von Anpassungen der Unternehmensstrategien, denn die wären ja wünschenswert und legitim. Die Rede ist von plötzlichem Sinneswandel, den zahlreichen Ungereimtheiten und pikanten Details.
Die offizielle schriftliche Begründung des Fachbeirates und das Schweigen an der Front sind weder nachvollziehbar noch plausibel, sie unterstreichen eher noch obige Annahme.
Was über Jahre und auch bei unseren Bewerbungsgesprächen als dringend notwendig vermittelt wird Wochen darauf negiert, paradoxerweise kurz nach Unterschreibung der Ausbildungsverträge. Und so lautete der Beschluss: Die Arbeit von ausgebildeten (auf die Problematiken von Sexualität und Behinderung sensibilisierten) Sexualbegleiter/innen kann fortan von Prostituierten übernommen werden.*
Pikant, informiert wurden die Azubis über diesen Entschluss anlässlich Ihrer Abschlussfeier, Monate später. Idealerweise waren zu diesem Zeitpunkt sicherlich von allen beteiligten Seiten die fälligen Gelder für das Projekt Fachausbildung Sexualbegleitung geflossen.

....Eigentlich hätte man die überreichten Zertifikate grad so gut auf eine Rolle Klopapier drucken können…

*Anmerkung: 1/3 meiner Klienten erzählen von traumatischen Erfahrungen mit Prostituierten
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Re: Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon swimmfreak » Mo 10. Jan 2011, 17:57

Sehr interessante Insider-Infos! Danke dafür. Da bleiben einige Fragen offen:

1. Wie haben denn die Ausbildnerinnen jenes Lehrgangs darauf reagiert? War das nun eine gute oder schlechte Nachricht für die? Man könnte ja auch so argumentieren, dass sich eine ausgebildete Assistentin klar von den Prostituierten abhebt in Sachen Empathie und Fachwissen. Oder war es eine schlechte Nachricht, weil alternde Prostituierte sich nun in diesem Feld breit machen und eine unerwünschte Konkurrenz sind?

2. Was meinst Du mit traumatisiert? Wurde jener Teil der Männer schlecht und unbedarft behandelt von diesen Profis? Oder gar abgezockt?

3. Wie ist eingentlich die Situation heute? Werden noch Frauen ausgebildet oder ist das nun vorbei? Ich habe irgendwo gelesen (BaZ?), dass die Fachstelle geschlossen wird - aus finanziellen Gründen.

4. Wie erlebt Ihr Assistentinnen Euch untereinander, ist das eine Konkurrenz oder gibt es eher zu wenige davon?
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Re: Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon Isabelle » Fr 14. Jan 2011, 13:49

Bitte gern geschehen, swimmfreak, ist auch Sinn und Zweck dieser Seite..

1.Teil II folgt in den nächsten Tagen mit weiteren Infos und Antworten auf Deine Fragen.
Na ja wie würdest Du reagieren wenn‘s heisst, gratuliere zu Deiner tollen Ausbildung aber eigentlich hättest Du Dir die Zeit und das viele Geld sparen können, denn Du wirst von Deiner Ausbildungsstelle den nicht Ausgebildeten gleichgestellt? Paradox, oder?

2.Ja, die ganze Bandbreite, mit dem Resultat dass sich die Probleme des Hilfesuchenden noch verschlimmert haben, er sich als unfähig sieht und sich nicht getraut wieder auf die Suche zu machen. Es braucht mitunter enormen psychischen Druck und auch Mut bis Mann sich mit seinen männlichen Problemen jemandem zuwendet. Dieser Situation bedarf es enormes Einfühlungsvermögen. Du musst auch die Ausgangslage vieler Prostituierten verstehen, wenige sind emanzipiert d.h. wirklich unabhängig, sie werden non stop gedemütigt, ausgenutzt, die Hierarchie ist klar, entweder sie spurt oder..na ja und dann kommt da ein „schwacher“ Mann daher, ist klar dass er für alle anderen Männer hinhalten muss oder sie ihn als einfache Einnahmequelle sieht, das ist ganz normal. Es braucht ganz klar ihre Dienstleistung aber nicht für diesen Sektor.
Daher kann die Lösung Sexualbegleitung an Prostituierte zu übergeben nur von Leuten entschieden worden sein, die sich wirklich sehr weltfremd mit diesem Thema beschäftigen..
Wenn das ganze unter Angebot Sexualbegleitung abgelaufen ist, nicht gerade positive Reklame für unseren Berufszweig…

4.Die Anzahl spielt keine Rolle. Es funktioniert wie in der ganzen Marktwirtschaft Schweiz auch, es geht um Innovation, Geschäftsphilosophie, Motivation, Berufung, Qualität vor Quantität, einfach gesagt es geht um den Charakter hinter dem Angebot, dann hast Du auch bei einem offensichtlich gesättigten Markt Erfolg. (Die Dauer und Kontinuität des Geschäftsaufbaus lässt unter Berücksichtigung weiterer Faktoren durchaus Rückschlüsse auf die Qualität des Betriebes zu…) Wie erlebst Du das Angebot?
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Re: Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon swimmfreak » Sa 15. Jan 2011, 13:03

1) Danke für die detaillierten Antworten; und auf jene vom Teil II darf man dann speziell gespannt sein. Ja, so gesehen kann man es sich bestens vorstellen, dass die Beteiligten nicht begeistert waren, die Frage ist doch WER diesen Entscheid WARUM gefällt hat. Etwa deswegen weil von den bisher Ausgebildeten längst nicht alle alles anbieten und es bei Massagen bleibt?

Glaubst Du, dass es diese Professionellen tatsächlich gibt in Deinem Metier? Die werden doch kaum auf der Webseite der sexualassistenz.ch oder sinnerose.ch inserieren, oder? Was es allerdings schon immer gab, das sind Inserate von Profis, wo dann u.a. steht "gerne auch Aeltere oder Behindere willkommen".

2) Dazu kann ich nichts sagen, ich gehe und ging fast nie zu Profis und wurde auch nicht schlecht behandelt, allerdings kommt es natürlich sehr auf die Frau aber auch den Kunden an, wie ausgeprägt die Behinderung und Persönlichkeit ist, ich glaube auch nicht, dass es heute noch viele Zuhälter gibt, ausser bei ausländischen Frauen. Aber jene, die geldgierig sind und null Empathie haben, meinen sicher, dass sie eine 'leichte Beute' hätten und nützen das aus.

3) nochmals zu diesem Punkt: werden also keine Frauen mehr ausgebildet? Dann ist ja alles wieder so wie früher - mit Ausnahme der relativ wenigen Ausgebildeten. War denn diese Ausbildung teuer, ich dachte halt, dass die Auszubildenden nichts dafür zahlen müssten.

4) ich war bisher noch nicht gross zu Besuch bei ausgebildeten Assistentinnen. An einem Ort hätte ich mir schon mehr erwartet (vom Service her), mit andern war ich in Mail- und Telefonkontakt. Ein Problem scheint auch die fehlende eigene Location zu sein, manche müssen sich irgendwo untermieten, damit sie an eine Massageliege oder Location kommen, das macht es mühsam, bis da ein fixer Termin steht.
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Re: Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon Isabelle » So 23. Jan 2011, 14:05

Hi swimmfreak

3)Nein es ist noch schlimmer als früher, weil sehr verwirrend und wenig transparent. Durch die stattgefundenen Ausbildungsgänge Sexualbegleitung wird dem Suchenden quasi vorgekaukelt, eine angebotene Dienstleistung unter der Bezeichnung Sexualbegleitung sei automatisch an einen gewissen Wert, an Vertrauen oder Qualität gekoppelt.

1)Auf Sinnerose von der fabs lanciert darf jeder ohne Bedingung, ohne Vorkenntnis, ohne Sensibilisierung inserieren: der Pöstler, die Kassiererin und auch Prostituierte….es darf sich jede Sexualbegleiterin nennen. auf der Seite sexualassistenz sind IM MOMENT NOCH allesamt ausgebildet…

Der finanzielle Aufwand für die Ausbildung (letzter Ausbildungsgang) ca. 10 Mille plus Spendengelder pro Teilnehmer 4 Mille. Kommen noch ca eineinhalb Monatslöhne Einnahmeausfall hinzu..

Weiteres in Teil II...
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Re: Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon 1972er » Mo 7. Nov 2011, 17:43

Hallo Isabella

Ich bin ganz neu hier und frage mich ob Teil II bereits makulatur geworden ist?

liebe Grüsse
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Re: Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon Isabelle » Mi 9. Nov 2011, 01:21

@1972er

Makulatur?..nein ganz und gar nicht..da sich für den Suchenden in Sachen Sexualbegleitungsangebot seit meiner Ausbildung wirklich nichts bewegt hat, es gibt zwar einige die sich profilieren, über das Thema debattieren, theoretisieren, studieren..Information ist wichtig und gut..doch niemand tut "es"..jetzt kennst du auch gleich den Grund wieso ich noch keine Zeit gefunden habe für die höchst amüsante Fortsetzung der Story..weil ich nämlich nicht nur gerne darüber spreche sondern "es" ausnehmend gerne tue...
Neues ab Mitte Dezember...
Herzlich
Isabelle
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Re: Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon prince287 » Mi 9. Nov 2011, 15:11

Liebe Isabelle
Die Fachstelle zur Ausbildung von Sexualbegleiter/Innen sollte trotz fehlender finanzieller Mittel weiterhin sichergestellt und weitergeführt werden können (durch errichten eines Spendenkontos)! Besteht diese Ausbildungsmöglichkeit weiter, werden Behinderte ohne Zeitdruck in privater Ambiance und fachgerechter Betreuung Zuneigung, Liebe und Sex geniessen können. In der Prostitution ist dies aus Zeitgründen
nicht möglich da der nächste Kunde schon hinter verschlossener Türe wartet und ein 08/15-Services wäre vorprogramiert! Wenn es auch in nächster Zukunft darum geht, uns Behinderten diese Erotischen Erlebnisse offen zu halten, müssen wir uns dafür einsetzen!
prince287/Peter Vock
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Re: Ausbildung, Klopapier und erotische Settings (Teil I)

Beitragvon Rita » Di 7. Jan 2014, 17:48

Hallo Peter

Hm... es sind nicht nur Zeitgründe, welche den Genuss von Liebe und Sex für die Behinderten fast unmöglich machen. Nein, es ist auch die Bereitschaft der Frauen, die leider nicht vorhanden ist. Nicht jede kann und will dies tun. Es ist zugegeben nicht immer einfach für die Frau und so ist eine sehr starke psychische Persönlichkeit schon ein MUSS, diesen Dienst auszuüben. Viele Frauen können das gar nicht, weil für sie nur das Finanzielle der Motor zu dieser Tätigkeit ist. Und sobald dies der Fall ist, ist der Service vielleicht nur noch 07/15. Leider ist das die harte Realität.
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